LA METAMORPHOSE

Pascal Karp Galerie Brüssel 2007

Albert Maria Pümpel, Malerei
Veronika E. M. Blum, Skulptur

Räumliches Kräftemessen

Das individuelle Sein in seinen Metamorphosen zu beleuchten bildet den Grundakkord der Werke von Veronika E. M. Blum und Albert Maria Pümpel. „Vis a vis“ stehen Blums mittel- bis lebensgroße Holz- und Stahlplastiken Pümpels Gemälden in Klein- und Großformaten gegenüber. Die Konfrontation ist harmonisch, erzeugt aber dennoch eine feine Spannung, die auf der unterschiedlichen Herangehensweise der Künstler beruht.

Blum nimmt gefundene Objekte oder artefaktisches Material zum Ausgangspunkt für ihre Plastiken, die prinzipiell auch die Größe eines Fußballfeldes erreichen können.¹ Für ihre Materialsammlung begibt sich die Künstlerin gezielt in bestimmte Reservoirs: Alte Bauernhöfe und Eisenbahnplätze mit rissigen spröden Holzstücken und rostigen Metallen interessieren sie ebenso wie Reste der metallverarbeitenden Industrie. Für Blum ist immer der ästhetische Reiz des Materials und die Aura des einzelnen Fundstücks entscheidend. Zum Beispiel bot eine Mole mit tief konkaver Wölbung der Künstlerin den idealen Raum zur Schaffung für ihr „Stilleben mit Flasche“ von 1999. Hier fand eine mit funkelnden Farbpigmenten versehene Gasflasche in einer Stahlhalterung ihr Zuhause. Diesem – einem Feuerlöscher ähnelnden – Arrangement wurde schließlich mittig das rechteckige Messingteil einer Präzisionsmaschine eingebunden. Alle Gegenstände hat Blum durch ihre Wahl erhöht und in einen neuen Sinnzusammenhang gesetzt, sodass der Betrachter unbewusst neue Räume betritt. Beispielsweise umfasst „Stillleben“ drei Zustände: einen ausgedienten Behälter für Gemüse und Mehl, der neben der Holzmaserung sein langes Leben durch einen Längsriss und die schwärzlichen Gebrauchsspuren zeigt, eine ebenfalls alte, aber farblich neu belebte Metallflasche und schließlich ein edles, eventuell noch gebrauchsfähiges Messingutensil. Während Blum hier die Mole zum Raumuniversum werden lässt, beziehen Plastiken wie etwa die 1996 entstandenen „Kopf“ oder „Goliath“ stark ihre räumliche Umgebung mit ein. „Goliath“, der sich aus unendlich zahlreichen Stahlstangen, Schrauben und Ringen aus dem Gleisbau zusammensetzt, wäre ein Gerippe, wenn nicht die Raumfläche zwischen den vertikalen Stäben seine Masse wesentlich mitbestimmen würde. Anders erobert sich Blum mit ihrer „Puppe“ (1996) aus polierten Stahlzylindern den Raum. Das bewegungsfreudig wirkende Objekt scheint von alleine auf uns zuzukommen. Darüber hinaus geben die kurzen, kompakten Röhren nicht nur Durchblicke frei, sondern nehmen auch durch ihre polierte Außenhaut das Umfeld, und damit den Betrachter auf. ²

Die Gegenüberstellung von Blums und Pümpels Werken veranschaulicht einerseits ihre metamorphische Verwandschaft: Vielschichtigkeit, Transparenz und Veränderungen prägen ihre Arbeiten. Auch die Vorliebe für räumliche Erfahrbarkeit, von der Blums Montageplastiken durchdrungen sind, findet sich in Pümpels Gemäden mit ihren – teilweise sogar durchsichtigen – Farbräumen. Andererseits erhält die Präsentation durch die abweichenden Ansätze der Künstler eine lebhafte Dichte und gegenseitige Zugkraft. Für den Betrachter wandelt sich das räumliche Kräftemessen in eine Neuvermessung der Welt.

Ira Oppermann
2007

¹ Auf diese Maße läuft Blums „CampGonon“ Projekt hinaus, das ein nach unten gerichtetes, gleichseitiges Dreieck und einen Halbkreis als Basisformen aufweist.

² Im Sinne von Walter Gropius, der meinte „das Endziel aller bildhauerischen Tätigkeit ist der Bau“, drängt es Blum – nach Arbeiten wie „Goliath“ und „Puppe“ – zu großangelegten Architekturplastiken.